Nach der Sitzung in der Bezirksvertretung, dazu später mehr, hatten wir mit dem Unternehmer Uwe Kamann einen absoluten Fachmann als Referenten bei unserem Bürgerstammtisch.

Das Thema: „Der digitale Wandel – Risiken und Chancen“

Vor erneut vollem Haus, mit vielen neuen Interessenten, bezog Herr Kamann -oftmals- die Anwesenden in seinen Vortrag ein und bekam für sein Referat langanhaltenden Applaus.

Der digitale Wandel – Risiken und Chancen

Industrielle Revolutionen – das waren die Erfindung der Webstühle in England, die Nutzung der Dampfkraft und die Fließbandtechnik, mit deren Hilfe Henry Ford den ersten US-Volkswagen, die „Tin Lizzy“ montieren ließ. Fords Modell „T“ wurde durch diesen Herstellungsprozess um mehr als 50 % verbilligt – von 850 auf 370 US-Dollar. Das war die Öffnung für den Massenmarkt. Was uns jetzt vor Augen steht, die fortschreitende Digitalisierung, ist eine neue industrielle Revolution. Sie macht uns Angst und sie wird Arbeitsplätze kosten.
Die Auswirkungen können fatal werden. So schätzt man, dass allein in Europa bis zu 20 Millionen Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor durch den digitalen Wandel wegfallen werden. Selbst Liz Mohn, hat für die Bertelsmann Stiftung dieser Tage im Handelsblatt von Prognosen berichtet, wonach 50 % der aktuellen Beschäftigung in den nächsten 20 Jahren wegfallen könnte.
Da wundert man sich nicht, dass Arbeitnehmer, nicht nur in Deutschland, der Zukunft mit großer Sorge entgegen sehen. Werde ich morgen noch Arbeit haben – oder machen dann künstliche Intelligente Systeme oder automatisierte Lösungen meine Arbeit?“.
Seit der Digitalisierung des Lebens, die Anfang der Neunziger Jahre begann, hat sich die Macht des Digitalen explosionsartig ausgeweitet. Von der Technik, mit der man 3D-Produkte drucken kann bis zu selbstfahrenden Autos und absolut realistischen Videospielen – immer wieder lehrt uns die Entwicklung das Staunen.
Alle Paradigmenwechsel der Vergangenheit hatten gemeinsam, dass durch die eingesetzten Technologien das Leben erleichtert und verbessert werden konnte, dass Produkte günstiger hergestellt werden konnten. „Kollege Roboter“ reicht heute dem Techniker am Fließband schwere Bauteile an, er produziert – beim Menschen würde man sagen: leichthändig – was wir an Konsumgütern und Technik benötigen. Zumindest zum größten Teil. Das ist eine der positiven Auswirkungen der aktuellen Entwicklung.

Massive Veränderungen im Arbeitsmarkt

Der digitale Wandel ist in vollem Gang und er wird zahlreiche Produktionsprozesse massiv verändern. Es bilden sich immer mehr sogenannte CPS (Cyber Physische Systeme), bei denen mechanische und elektronische Teile über das Internet kommunizieren. Produktionssysteme steuern sich selbst – Information, Kommunikation und Produktion verschmelzen; was automatisch ausgelöst und be-, wie verarbeitet werden kann, wird automatisiert.
Produktionssysteme die sich selbst überprüfen, die rasant voranschreitende Vernetzung der Welt und technische Hilfsmittel wie 3-D-Drucker bedingen mehr Unabhängigkeit von Standorten und Produktionsstätten. Denn die Wahl von Produktionsstandorten wurde und wird (noch) unter dem Aspekt getroffen, in welcher Region die am besten ausgebildeten Mitarbeiter verfügbar sind. Human Ressource – ein Faktor, der weniger wichtig wird.
Die „Digitale Welt“ wird nicht nur zu Fabriken führen, die wie von Geisterhand gesteuert, fast ohne begleitendes menschliches Zutun, funktionieren. Denken wir auch an das transaktionsbasierte Endkundengeschäft: 40 bis 70 % der Arbeitsplätze werden ersatzlos wegfallen. Prozesse werden digital ausgelöst – Bezahlung, Verpackung, Nachorder des Produktes, Versand, Zufriedenheitsabfrage. Wozu braucht es da noch „Human Ressource“. Der größte deutsche Videoverleiher Tümmers hat soeben dicht gemacht, ein Opfer der Digitalisierung. Das größte Buchhaus in der Landeshauptstadt Düsseldorf, der Stern Verlag, hat geschlossen – amazon lässt grüßen. Auf ein elektronisches Lesegerät passen heute Dutzende oder Hunderte Bücher, Filme lädt man sich herunter, schaut sie „on demand“. Doch auch der Elektrofachhandel und andere Sparten leiden, denn der Kunde kauft zunehmend im Internet, oftmals nachdem er sich vor Ort im Fachhandel informiert hat.
Wie wird es gelingen, die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen und gleichzeitig einem flächendeckenden Verfall von Arbeitsplätzen entgegen zu wirken? Wie können wir der Entwicklung entgegenwirken, dass der Kampf um Arbeitsplätze die Gesellschaft spaltet? Wachstum mit geringstmöglichem Beschäftigungszuwachs wird zur Norm werden. Gut für Investoren, schlecht für die Gesellschaft. Die Schere zwischen Arm und Reich darf aber nicht weiter auseinandergehen.
Ist das klassische (Aus-)Bildungssystem noch opportun?
Die Digitalisierung entwickelt sich weltweit in unglaublichem Tempo zum zentralen bildungspolitischen Thema und zu einer entscheidenden Frage über die künftige Rolle und Bedeutung von Gesellschaften und Staaten. Das Zauberwort ist „ICT“ (“Information and Communication Technologies“), die Internet-basierte Vermittlung von Wissen.
Wenn Bundesbildungsministerin Johanna Wanka jetzt innerhalb der nächsten fünf Jahre eine Fünf-Milliarden-Investition für WLAN und Computer in 40.000 Schulen fordert, ist dies zu begrüßen, doch es reicht bei weitem nicht aus.

Auch unser weltweit geschätztes System der Dualen Ausbildung bedarf der IT-Vitaminspritze: Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung hat nur jede dritte Berufsschule eine gute WLAN-Versorgung. 40 Prozent der Schulen haben laut Studie überhaupt kein WLAN.

Um weltweit nicht abgekoppelt zu werden, braucht Deutschland eine massive Investition in Lehren und Lernen, damit junge Menschen auf die Welt von morgen vorbereitet werden können. Und wir müssen unserer Verantwortung für künftige Generationen gerecht werden, indem wir die Zuständigkeit der Länder abschaffen. Es ist in Zeiten der Globalisierung und der Digitalisierung ein Anachronismus, in 16 Bundesländern 16 Bildungssysteme zu unterhalten. Das Kind, das heute mit den Eltern von Berlin nach Bayern umzieht, hat schon den Anschluss verloren.

Der gläserne Mensch

Die Gefahr einer vollständigen digitalen Durchleuchtung des Lebens jedes Einzelnen ist gegeben. Ihr Handy weiß wo Sie sind, Ihr Handy weiß, was Sie interessiert – und damit wissen’s auch viele andere. Die „digitale Diktatur“ kann eine reale Bedrohung werden. Wir werden stärker denn je durch gezielte Steuerung der digitalen Medien- und Werbewirtschaft in unserem Verhalten manipuliert. Bereits heute sind wir mit dem Smartphone zur digitalen Datenquelle mutiert. Dem liegt indes im Regelfall die Zustimmung des Kunden zugrunde: Wer nicht will, dass er gläsern wird, muss sich den Diensten, die jeden Schritt und Kauf verfolgen wollen, verweigern. Auf der Basis individueller Erfahrung wird der Verbraucher dies lernen können.

Digitalisierung und Werte
Die „digitale Diktatur“ ist eine Gefahr, wie George Orwell sie wohl niemals erträumt hätte. Die Möglichkeiten des Staates, von Institutionen und Unternehmen zur Überwachung und Datenausbeute müssen rechtlich eingehegt werden, damit wir nicht durch punktgenaue Individualansprache und –Erfassung zur manipulierbaren Masse werden.
Die Digitalisierung hilft uns, die Welt besser zu verstehen, Prozesse effektiver zu gestalten und Probleme effizienter zu lösen. Aber: Der digitale Wandel braucht „Werte“ und nicht nur neue Technologien.
Vor allem jedoch braucht der digitale Wandel eine Sozial- und Wirtschaftspolitik, die Risiken und Chancen des digitalen Wandels kennt, begreift und in der Lage ist, erforderliche Schlüsse zu ziehen. Denn die digitale Welt ist nicht per se eine böse Welt, in der die Nachteile und Gefahren dominieren. Unternehmen, die Chancen zu nutzen verstehen, agieren stärker am Markt, bauen ihr Geschäft schneller aus und sind umsatzstärker als der Wettbewerb.
Produkte der Digitalisierung wie „Smart Home“ (der Waren bestellende Kühlschrank, die Fernüberwachung der Wohnung etc.) oder „Smart City“ (Optimierung des Zusammenlebens mit digitaler Hilfe – Car Sharing, Verkehrssteuerung, Crowd-finanzierte Bauprojekte etc.) schaffen Arbeitsplätze.
Noch vor wenigen Jahren gab es keine Web-Designer, App-Entwickler, IT-System-Kaufleute oder Fachinformatiker Systemintegration. Viele weitere Berufsbilder werden sich entwickeln und neue Beschäftigung kreieren.
Auch juristisch gesehen hängt der Staat hinter der sich rasend schnell entwickelnden Digitalindustrie zurück. Google, Microsoft, amazon, facebook & Co. bewegen sich in großen Freiräumen, die zum Teil nicht akzeptabel sind. Unsere Bundesregierung in Person von Bundesjustizminister Heiko Maas nutzt allein die Möglichkeiten, bei Facebook die Meinungsfreiheit einzuschränken: „Hate Speech“, das erfundene Verbrechen.
Die Politik werkelt beim Thema Digitalisierung
Die Bundesregierung (GroKo) stellt sich wie immer ein hervorragendes Zwischenzeugnis aus. Nach eigener Bekundung sei man bei der Digitalisierung unter den Klassenbesten. Das wäre schön. Die „Initiative Deutschland Digital“ (IDD) urteilt: „Platz sechs hinter den USA, Südkorea, Großbritannien, Finnland und Japan ist für den Standort Deutschland eine schlechte Nachricht, zumal kaum eine Verbesserung gegenüber dem Vorjahr zu erkennen ist.“
Anstatt die Digitalisierung ganzheitlich zu betrachten, werden einzelne Projekte identifiziert und dann schlecht umgesetzt. Selbst in der eigenen Behörde ist man noch weit von der angekündigten Digitalisierung entfernt. Beim E-Gouvernement, der digitalen Verwaltung wie zum Beispiel der elektronischen Steuererklärung oder Fahrzeuganmeldung und vielem mehr, liegt Deutschland von den 28 EU-Staaten gerade mal auf Platz 19, hinter Italien und knapp vor Zypern.
Bei der Infrastruktur, dem Ausbau von schnellen Breitbandnetzen – der Autobahn der Zukunft-, stehen wir in Deutschland noch weiter hinten an. Nur gerade mal 3%-5% der Haushalte sind an schnelle Breitbandnetze angeschlossen. Damit stehen wir im hinteren Drittel innerhalb der EU.
Die Chance der AfD
Die Digitalisierung ist das „Thema der Zukunft“. Alle Parteien versuchen sich bei diesem Zukunftsthema zu positionieren. Zwar halbherzig und nur punktuell, aber man hat die Digitalisierung als ein unsere Gesellschaft veränderndes Thema erkannt. So hat die FDP gerade eine Klausurtagung zu diesem Thema durchgeführt.
Bei der AfD ist die Digitalisierung anscheinend noch nicht richtig angekommen. Wenn es uns ernst ist mit der Forderung eine „Volkspartei der bürgerlichen Mitte“ sein zu wollen, wird es dringend Zeit sich der komplexen Inhalte und Auswirkungen der Digitalisierung zu stellen.
Um die Chancen der „Digitalen Welt“ zu nutzen und deren Risiken einzugrenzen, ist die Abkehr von einer vertikalen, ressortbezogenen Sichtweise hin zu einer horizontalen ressortübergreifenden Sichtweise notwendig.
Mit innovativen Lösungsszenarien und durch die durchdachte Gestaltung der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen haben wir die Möglichkeit, die AfD in einem noch nicht von klassischen politischen Kräften besetzten Bereich zukunftsträchtig zu positionieren. Dies soll es der AfD ermöglichen, sich den Wählern auch in diesem Themenbereich – der mindestens das nächste Jahrzehnt prägen wird – als der Zukunft des Landes verpflichtete politische Kraft darzustellen, die eines nicht vergisst: Zentral bei der verantwortungsvollen Steuerung des Digitalen ist der Mensch. Es geht darum, Freiräume zu erhalten, Motivation zu vermitteln und Sinnerfüllung und Lebensfreude unter radikale geänderten Vorzeichen zu ermöglichen.